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BACKGROUND: Verkehr & Smart Mobility

MITFAHR-APPS
Gemeinsam pendeln fürs Klima von Jana Kugoth
23.07.2024

Oft sitzt nur eine Person im Auto. Die restlichen Plätze bleiben leer. Mitfahr-Apps wollen das ändern. Doch bisher fristen die meisten Plattformen ein Nischendasein.

Nicht alle haben Freude am Fahren. „Selber Autofahren ist unproduktive Zeitverschwendung“, findet beispielsweise Stephan Augustin. „Vor allem Geschäftsleute sind viel unterwegs und sitzen dabei meist allein hinter dem Steuer oder es sind ältere Menschen, die sich lange Strecken eigentlich nicht mehr zutrauen“, sagt der Münchner Industriedesigner, der seit mehr als 25 Jahren bei BMW an Mobilitätskonzepten arbeitet. „Auf der anderen Seite gibt es viele, vor allem junge Menschen, die günstig von A nach B kommen wollen“, ergänzt Augustin. Gemeinsam mit seinem Partner Andreas Grossmann hat er eine App entwickelt, um beide Gruppen miteinander zu vernetzen.

Autonaut ist seit dem 1. Juli live und will eine Alternative zu Mitfahr-Apps wie BlablaCar bieten, also für die Mittel- und Langstrecke. Mit eben dem Unterschied, dass dabei die Fahrzeughalterin oder der -halter nicht unbedingt selbst fährt. Stattdessen übernehmen die Mitfahrerin oder der Mitfahrer das Steuer, sodass der Besitzer des Autos während der Fahrt lesenVideos schauen oder am Laptop arbeiten kann und quasi einen kostenlosen Chauffeur bekommt.

Für den Halter fallen für die Versicherung des Fahrzeugs Kosten in Höhe von mindestens 5,50 Euro an. So teuer ist eine Zusatzfahrerversicherung für 24 Stunden oder länger, die im Schadensfall zu zahlende Vertragsstrafen und Beitragsnachforderungen sowie die Selbstbeteiligung übernimmt. In der App kann der Fahrzeughalter zwischen drei verschiedenen Versicherungsanbietern und deren Produkten wählen. Der fahrende Mitfahrer wiederum zahlt eine Vermittlungsgebühr von knapp fünf Euro an Autonaut, mehr nicht. Auch aus rechtlichen Gründen fällt eine Beteiligung an den Spritkosten weg, wie sie bei vergleichbaren Angeboten üblich ist.

Netzwerk-Effekt entscheidet über Erfolg

Die Deutsche Stiftung Umwelt hat die Entwicklung der App mit 120.000 Euro unterstützt. Sicherheitsbedenken wischt Gründer Augustin mit dem Verweis auf das Bewertungssystem in der App aus dem Weg. Fahrer und Fahrzeughalter können sich nach der Fahrt gegenseitig beurteilen. Die Wertungen sind für andere Nutzer sichtbar, sodass diese sich daran orientieren und jene meiden können, die schlecht abschneiden.

Dass die autovernarrten Deutschen ihren eigenen Pkw Fremden nicht überlassen, hält der Designer für einen Mythos. Schließlich habe die Sharing-Plattform Airbnb bewiesen, dass das Teilen von persönlichen Dingen und Eigentümern funktioniere, sagt er. Über die Plattform können Menschen ihre Privatwohnung an Fremde vermieten. Noch ist Autonaut allerdings kaum bekannt. Wenige Wochen nach dem Start sind die Downloadzahlen für die neue Mitfahr-App überschaubar.

Renaissance des Mitfahrens durch Digitalisierung?

Wie viele Menschen das Angebot einer Mitfahr-App tatsächlich nutzen, ist jedoch entscheidend für deren Erfolg, sagt Marcel Porschen. Er forscht an der RWTH Aachen unter anderem zu Mitfahr-Apps. Gerade zu Beginn gebe es das Henne-Ei-Problem: Wenn Interessierte nicht genügend Angebote auf der Plattform finden, springen sie mitunter direkt wieder ab. „Es braucht eine kritische Masse, um einen Netzwerkeffekt zu erzeugen“, sagt Porschen im Gespräch mit Background.

Für eine Mitfahr-App für die Lang- und Mittelstrecke ist das nicht leicht zu erreichen. Seit Jahren ist das französische BlablaCar der Platzhirsch auf dem Markt. Erst im April hatte sich das 2006 gegründete Unternehmen aus Frankreich eine Finanzspritze in Höhe von 100 Millionen Euro gesichert und war in den vergangenen 24 Monaten nach eigenen Angaben profitabel. Mehr als 50 Millionen Downloads verzeichnet allein der Google-Appstore. Allerdings sind viele Nutzer auch unzufrieden mit der Plattform. Insbesondere die Servicegebühr, die der Anbieter für die Vermittlung kassiert, finden sie zu hoch, wie in den Kommentaren zu der Anwendung zu lesen ist. Bei manchen Strecken beträgt sie bis zu 20 Prozent.

Die Idee, Menschen bei der Fahrt im eigenen Auto mitzunehmen, ist nicht neu. Im Schnitt mit 1,46 Personen ist ein Fahrzeug in Deutschland besetzt. Da liegt es nahe, die übrigen Plätze an Menschen zu vergeben, die eine ähnliche Strecke zurücklegen möchten – und sich dabei gegebenenfalls auch die Spritkosten zu teilen. „Weil Digitalisierung und Technik die Vermittlung fahrender und mitfahrender Personen vereinfachen, könnten das Mitfahren eine Renaissance erleben“, prognostiziert Forscher Porschen von der RWTH.

ADAC wirbt für gemeinsames Pendeln

Vor allem Angebote für Pendler haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Dazu zählt die Plattform Pendlernetz, für die sich der Automobilclub ADAC und der Mobilitätsdienstleister der Schwarz-Gruppe, Twogo, zusammengetan haben. Über diese „Mitfahr-Community“ sollen registrierte Nutzer nach (Mit-)Fahrern suchen können.

„In Regionen, in denen es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt, können Mitfahrgelegenheiten eine Alternative zum eigenen Pkw bieten“, so Porschen. Neben Twogo gibt es eine ganze Reihe anderer regionaler Apps, die Fahrgemeinschaften fördern möchten. In Hennef in Nordrhein-Westfalen startete vor rund einem Jahr die App „Kommuter“, die ursprünglich aus einer internen Mitfahrgelegenheit für Firmen hervorgegangen ist. In der Stadt Aurich in Nordwesten Niedersachsens soll „Pendla“ für mehr Mobilität sorgen. In Bayern versucht die dortige Industrie- und Handelskammerebenfalls, eine Mitfahrplattform zu etablieren. Die Stadtwerke Bonn haben gemeinsam mit dem Start-up GoFlux eine App an den Start gebracht, über die Fahrten vermittelt werden – als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. GoFlux wurde Ende 2022 von dem französische Mobility-UnternehmenKaros übernommen.

„Erwartungen nicht zu hoch hängen“

Apps, die Fahrgemeinschaften in der Region oder gar zwischen Mitarbeitenden eines Unternehmens vermitteln, räumt Porschen einenVorteil ein: „Wenn man im gleichen Unternehmen arbeitet oder aus der gleichen Region stammt, schafft das Vertrauen.“ Sicherheit sei durchaus ein Thema, wenn es um Mobilität gehe, sagt er.

Bisher fristen die Angebote eher ein Nischendasein. Eine ganze Reihe sei bereits wieder verschwunden, sagt der Forscher. Das liege auch daran, dass einige durch Fördergelder finanziert werden. Sind die Töpfe leer, wird die Plattform nicht selten wieder eingestellt. „Es reicht nicht, ein Angebot einmalig zu bewerben“, sagt Porschen. Es müsse immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden, damit ein verlässlicher Pool an Mitfahrenden entstehe, der den Nutzenden garantiere, dass sie bei einer Anfrage auch eine passende Fahrt finden. „Ist das nicht der Fall, springen sie in der Regel schnell wieder ab.“

Incentivierungen durch den Arbeitgebenden – beispielsweise im Rahmen eines betrieblichen Mobilitätsmanagements sowie Maßnahmen wie kostenlose Parkplätze auf Park-and-Ride-Anlagen für Mitglieder von Fahrgemeinschaften oder ein staatlicher Bonus, wie es ihn in Frankreich gibt, könnten helfen, das Mitfahren Deutschland populärer zu machen, sagt Porschen (Background berichtete). Entsprechende Pläne sind dazu in Deutschland bislang allerdings nicht bekannt.

Ob Mitfahr-Apps helfen können, den CO2-Ausstoß im Verkehr zu senken? „Sicherlich“, sagt Porschen. „Allerdings sollten die Erwartungen nicht zu hoch gehangen werden“, schränkt er ein. Selbst wenn Anwendungen im Fernverkehr wie BlablaCar, der Autonaut oder regionale Apps ihrPotenzial entfalten, werden sie nur einen kleinen Teil zur Emissionsreduktion beitragen können, glaubt er.


Vision Mobility

Autonaut: Mitfahrzentrale mit Rollentausch


04.07.2024 Claus Bünnagel, https://vision-mobility.de/
Der Mitfahrer lenkt das Fahrzeug, der Fahrzeughalter wird befördert.
Während der Fahrzeughalter entspannt, fährt sein Mitfahrer – das Prinzip von Autonaut. (Foto: Pixabay)


FAZ Sonntagszeitung


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